Wie Kinder ohne Regeln Regeln lernen (gegen die stille Treppe)
Von Pusteblumenbaby. Abgelegt unter Mamas Erziehung |Schlagwörter: Kindererziehung, Regeln
Wenn ich unter Erwachsenen bin, würde ich so gerne mal ein paar Leute wie die Supernanny auf die “Stille Treppe” verweisen. Gerade dann aber wird mir schnell bewusst, was für ein abstruses Konzept wir hier eigentlich vertreten. Stellt euch mal vor, ihr ereifert euch etwas über den Rahmen des Normalen und auf einmal nimmt euch jemand von hinten bei der Hand und schleppt euch auf die stille Treppe. Ihr steht dann irgendwo im Hausflur und sagt allen Nachbarn freundlich “Guten Tag”.
Nach vereinbarter, zivilisierter Waffenruhe zwischen Erwachsenen würde dies nicht aussehen. Ihr würdet euch nicht ernst genommen fühlen. In dieser Weise nehmen wir unsere Kinder auch nicht ernst, sondern zeigen ihnen, was wir von ihnen erwarten. Was wir aber nicht zeigen, ist warum wir es erwarten. Natürlich ist das Konzept funktionsfähig und in Foren gibt es dann schnell mal das ein oder andere begeisterte Elternteil:
“Also ich kenn die stille Treppe ursprünglich von der “Supernanny” und praktiziere selber das ganze mit einem Stuhl. [...] Das Kind soll z.B. die Flasche aufheben oder das Spielzeug wegräumen. Weigert es sich, dann “droht” man als Konsequenz die Trepp eoder den Stuhl oder so an. Wiegert sich das Kind weiter, dann wird es eben an jenen Ort gebracht, dort muss es sitzen bleiben, bis es bereit ist, das Gewünschte zu tun, sich entschuldigt oder auch einfach (bei größeren Kindern) eine gewisse Minutenzahl. [...] Wenn sie z.B. gehauen hat, dann kommt sie auf den Stuhl und muss dort solange sitzen, bis sie sich entschuldigt. Manchmal weint sie auch, aber sie bleibt sitzen (phänomenal, ich binde sie ja schließlich nciht fest
), aber nach einer Weile entschuldigt sie sich dann. [...] Das Kind lernt die Konsequenzen ohne Schläge” (http://www.erziehung-online.de/forum/der-1-3-jahrigen/stille-treppe/)
Ja, was sagen wir also dazu? Nun, die Methode ist erfolgreich, ist sie deswegen aber auch gut? Wenn ich ein Kind, wie ein Kind behandle, dann stärke ich nicht gerade sein Selbstbewusstsein. Ich nehme es bei der Hand, wenn mir sein von meiner Norm abweichendes Verhalten nicht passt und zwinge dieses Kind, sich mir anzupassen. Dies mag in ganz seltenen Fällen nötig sein, aber bis jetzt ist mir persönlich ein solcher Fall noch nicht untergekommen. Ein Kind aus der Machtposition heraus zu behandeln und nicht auf die Einsichtigkeit der Regel zu vertrauen, ist das vernünftig?
Nun sagen wieder einige, was für eine merkwürdige Konzeption von Erziehung ich wohl habe, denn für einige kann mein Kind so niemals in die Regelkreise Deutschlands aufgenommen werden, doch vielleicht suche ich gerade mein Kind zur Selbstständigkeit auch in Bezug auf Regeln zu erziehen? Es geht nicht darum, dass sie eines Tages gehorsam Regeln folgt, sondern dass sie erkennt, welche Regeln sinnvoll sind und welche nicht und selbst Regeln entwirft und verändert.
Dies hat mir nun auch Victor Rochow bestätigt. Er ist Verhaltenstrainer und hat Ingenieurswissenschaften und Pädagogik studiert. Nur ein Beispiel, um zu charakterisieren, was Victor unter Erziehung versteht: Victor erzählte mir sehr lange von dem Sohn seiner Freundin, doch er erzählte mir nicht von dem Sohn seiner Freundin, sondern von einem coolen Typen, den er so kennt. So reihten sich ein paar Anekdoten zusammen und er berichtete mir, was er von diesem Typen alles lernen konnte. Irgendwann aber fragte ich, wie alt denn der coole Typ eigentlich sei und als Victor meinte, er wäre 6 Jahre, wusste ich, dass er es mit seinem Beruf ernst meint.
Victor Rochow ist Geschäftsführer von “Stark durchs Leben” die systemische Prävention an Schulen betreiben und ich freue mich sehr, dass er mir bald ein Interview zu Fragen der Erziehung und Regeln geben wird. Gerade da Victor viel an Schulen arbeitet und schon Tausende von Kindern unterrichtet und angeleitet hat, macht es mich froh, dass er mich gerade in meinem Ansatz zu Regeln bestätigte. Victors Auffassung ist, dass wir Kindern Regeln nur vermitteln können, indem wir diese Regeln einerseits selbst leben, andererseits aber die Kinder selbst auch als gleichwertige Gesprächspartner behandeln, die an diesen Regeln mitwirken und diese auch setzen. Bei diesem Ansatz mag Victor gar das Wort “Kind” nicht sonderlich, da dies immer schon eine für das Kind unüberwindbare Hürde ausdrückt. Dies ist Lernen durch Verantwortung und gerade diese Stärkung der Kinder würde demnach die Kinder später vor vielen Formen der Gewalt schützen und sie so selbstbewusster machen.
Kann dies ein ein bis zweijähriges Kind? Nun meine Tochter versteht viele Regeln, sie bringt ihre Kuscheltiere alle samt ins Puppenbett schlafen, weiß, dass der Herd “Heich” ist, will das Bett sauber halten, räumt mit unter das Zimmer auf, schließt die Tür, wenn sie offen ist. Meine Tochter will für sich selbst kochen, die Äpfel alleine schneiden, selbst das Essen wählen, den Orangensaft eingießen. Sie will so viele Regeln für sich selbst festlegen und hat sehr genaue Vorstellungen wie bestimmte Regeln eingehalten werden müssen. Umgekehrt ist sie offen für Regeln, wenn ich sie ihr eindringlich erkläre. Dies kostet Geduld und Zeit, aber es klappt oft und langfristig. Ich sehe meine Tochter nicht negativ, sondern vor allem als Menschen, der Regeln selbst in der Gesellschaft finden will, um sich in ihr bewegen zu können. Dies stärkt ihr Selbstbewusstsein und macht sie gleichzeitig für andere Menschen zugänglich. Ich freue mich daher auf das Interview, das bald mit Victor folgen wird.
Alles Liebe
Maja

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