Sollten wir Babys schreien lassen, damit sie lernen alleine zu sein? (Schreiende Babys sind normal – Teil 2)
Von Pusteblumenbaby. Abgelegt unter Baby Tipps |Im letzten Beitrag hatte ich ja darüber geschrieben, dass Babys sich oftmals alleine fühlen und wir sie daher ganz sanft in diese Welt gleiten lassen müssen. Ich hatte auch erklärt, dass es normal ist, dass Kinder schreien, vor allem wenn wir sie alleine lassen. Sie werden gerne getragen und schlafen dabei besonders gut ein, weil sie Tragen vor einer reizüberflutenden Welt schützt – so sicher wie in Muttis Schoß eben.
Hilft uns diese Einsicht nun wirklich weiter? Schreiende Babys sind normal. Vielleicht hilft es, denn wenn wir unser Baby besser verstehen, dann geben wir uns selbst nicht die Schuld und haben vielleicht mehr Verständnis und können so liebevoller mit unseren Kindern umgehen. Grund genug für eine zweite Runde, um über Babys nachzudenken.
Machtübernahme der Welt aus Muttis Arm
Die gute Nachricht an all dem ist also, dass Babys keine kleinen Tyrannen sind, die die Familie subtil kontrollieren wollen. Sie wollen nicht aus der Zentrale auf Muttis Arm die Weltherrschaft übernehmen. Sie wollen euch auch nicht mit dem Schreien erziehen. Sie sind keine kleinen Terroristen, die sich in den ruhigen Minuten auf Mamas Arm ausdenken, wie sie noch schwerere Ketten an sie anbringen können. Auch wenn es in den ersten Wochen und Monaten so scheint, so wollen Babys nur ganz simple Dinge die eigentlich selbstverständlich sind. Was ist das?
Die meisten Babys wollen ob nun Tags oder Nachts einfach nicht alleine sein. Sie wehren sich dagegen und das ganz deutlich in ihrer Sprache mit dem einzigen Mittel, was sie zur Verfügung haben: Sie weinen. Weinen bedeutet daher oft: Nimm mich auf den Arm. So blöd und simpel das klingt, manche kommen darauf einfach nicht. Eine Freundin von mir erzählte: “Er ist gewindelt, er ist gefüttert, er hat es warm, er hat keine Krankheit, er liegt in seinem schönen Bettchen, wird gewiegt, aber er weint.” Sie stand verzweifelt vor dem Baby und wusste nicht, was los ist. Womöglich hätte sie ihn einfach auf den Arm nehmen sollen?
Euer Baby weiß einfach nichts von dem liebevoll eingerichteten Kinderzimmer; es weiß nicht, dass Mama und Papa alle seine Bewegungen per Babyfon im Nebenzimmer überwachen oder dass, wenn es alleine in einem vollkommen düsteren Zimmer liegt, nicht das nächste Raubtier die Gunst der Stunde nutzt oder überhaupt dass Mama jemals zurückkommt. Euer Baby weiß: Bei meinen Eltern bin ich sicher, bei meinen Eltern bekomme ich lebenswichtige Nahrung und nur bei meinen Eltern kann ich überleben. Und dennoch: Leider gibt es auch heute noch Eltern, die glauben, dass nur schreien lassen hilft. Hier mal ein Beispiel:
Machen wir das nicht … schläft sie erst um 00 oder 1 uhr ein … so geht sie um 20 uhr und schlöft eine halbe Stunde später. Ich hab ein Buch gekauft “schlafen lernen” kostet glaub 13 … ich find das super da stehn viele nützliche sachen drinnen ….auch das mit dem schreien lassen Und rumtragen wenn man das anfängt muss man es immer machen, lass sie weinen … jedes Kind kann schlafen nur ist es bei jedem anders … wie es auch bei uns anders ist”.
Diese Mutter empfiehlt also, was auch vor einigen Jahren noch als gängige Lehrmeinung galt: Das Kind nicht tragen und es einfach schreien lassen. Ganz nach behavouristischer Doktrin würde das Kind dann lernen, dass es ja schließlich nichts zu befürchten hätte und irgendwann würde es lernen, dass es besser schläft, als sich die Lunge aus dem Leib zu schreien. Bei dieser Auffassung setzt die Mutter beim Kind allerdings schon eine Reihe kognitiver Leistungen voraus, zu denen es noch garnicht in der Lage ist. Babys können ja noch nicht mal Objekte richtig wahrnehmen, geschweige denn Kausalitätsrelationen richtig erfassen.
Zum Beispiel: Neugeborene können ihre Mutter noch nicht mal als Objekt wahrnehmen, sondern haben eher eine diffuse Ahnung von dem zeitlichen Stadium “Mutti-Da-Sein-Milch”. Bei ganz frisch Geborenen merkt ihr auch, dass diese noch nicht mal Objekte richtig fixieren. Es ist ein Irrglaube, dass wir auf die Welt kommen und gleich Stühle, Tische, Muttis und Papis erkennen können. All diese Objekte müssen erst in Punkten in der Zeit mit den Augen verfolgt werden und solange Babys diese Objekte noch nicht in Händen halten, vermitteln sie die sinnlichen Eindrücke noch nicht mit den haptischen Erfahrungen. Woher sollen sie also zum Beispiel wissen, dass ein Stuhl ein etwas ist, das berührbar ist. So unvorstellbar das für uns ist, die so genannte Objektpermanenz muss auch erst erlernt werden.
Wenn das Baby nun alleine gelassen wird, dann ist erst mal ein diffuser Bezugsrahmen (irgendwas wie Mutti) verschwunden. Kurz: Holland ist in Not. Da wird dann auch nichts mehr gelernt, sondern die Welt, die ja noch nicht aus Objekten besteht, ist einfach mal nur verstörend. Ich glaube das Kind spürt in diesen Momenten vor allem eines: Allein-Sein. Dass die Dame, das Kind jeden Tag 30 Minuten schreien lässt, finde ich daher sehr gemein, auch wenn es eine scheinbare Wirkung erzielt.
Meine Variante ist natürlich zeitintensiver für Eltern. Ich behaupte aber, dass sie für die emotionale Entwicklung des Kindes besser ist. In solch jungen Jahren, da Kinder noch keine Ahnung von ihren Handlungsbezügen auf die Welt der Objekte haben, können sie auch nicht verzogen werden. Sie wissen nicht direkt, dass wenn sie schreien, das Objekt-Mutti so oder so handelt. Sie haben vielmehr einfach nur Angst. Deswegen seid geduldig und wiegt, wenn es nicht anders geht, eure Kinder in den Schlaf und nehmt sie auf den Arm.
Zu den Bildern:

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